Fotografie - Ausstellung
Die Augenschätze des Flaneurs
Fotografien von Gerhard Schmitthenner in der „Klosterpresse“
„Ich suche nicht, ich finde“ – so sprach schon der große Picasso.
Welche Augenschätze der assoziativ schweifende Blick eines ästhetisch geschulten Flaneurs einzufangen imstande ist, zeigt jetzt der Freiburger Gerhard Schmitthenner, dessen irritierend schöne Arbeiten unter dem Titel „Zeitzeugen“ bis zum Ostermontag in der Frankfurter „Klosterpresse „ zu sehen sind: überraschende „Trouvaillen“, die einen gleichermaßen fundscharfen Blick aufs Detail wie eine gehörige Portion Humor verraten. Was lauert hinter dem „schönen Schein“ nicht an skurriler Alltäglichkeit:
Ein tachistisches Gemälde entpuppt sich als
von Autolackspuren „gezeichnetes“ Straßenschild, ein von Plastikplanen wie von einem Kleid umhüllter Hydrant weckt Erinnerungen ans Prêt –à-Porter , der abblätternde Rest einer Fußgängermarkierung auf einer französischen Straße wirkt wie ein abstraktes Portrait eines Meisters der Klassischen Moderne. Nichts ist hier wie es scheint, aber der (schöne) Schein allein lohnt unbedingt das Kommen.
Gelingen Schmitthenner doch Oberflächenreize von erheblichem Verblüffungspotential.
Nur ausnahmsweise sind uns - durch den Titel der Ausstellung häufig bewusst irre geleitet, wahre Rückschlüsse aufs Motiv möglich, meist treten dingliche Assoziationen zugunsten des strukturellen Eindrucks ganz zurück, beherrschen subtile Form- und Farbspiele die Szene. Kurios wie die Bilder selbst ist ihre Aufteilung in Themenblöcke wie „Mode“ und „Menschen“. Beides ist in nuce auf Schmitthenners Fotografien gar nicht zu finden. Stattdessen lässt er ein Stück abgedeckten Asphalts als „Grabtuch“ erscheinen, wirkt ein Container, dessen Farbe sich langsam aus der Gegenwart stiehlt, wie eine erlesene Zen-Malerei. Überhaupt durchweht die Ausstellung eine feine fernöstliche Prise: Kalligraphisch wirkt so manches und das Thema der zerrinnenden Zeit, des palimpsesthafte Aufscheinen des Vergangenen in der abgelichteten Gegenwart der Dinge gibt Schmitthenners Augenspielen den philosophischen Rahmen.
Ausgeprägt ist sein Gespür fürs Abseitige, der subversive, mit kindlicher Experimentierlust gepaarte Drang, die Dinge der Welt nicht unbedingt für das zu halten , was sie zu sein vorgeben. Alles ist andauernde Interpretation, Anlass zum erfrischend begriffslosen Neu-Sehen. Kein Fund erscheint dem raffinierten fotografischen Schatzsucher dabei zu nebensächlich, um nicht den Anlass zur Entdeckung der Schönheit im Verborgenen zu bieten.
Eine poetische Entdeckerlust, die ansteckt!
Stefan Tolksdorf